Logistik
Mehr als nur ein großer Parkplatz

Bei Kelheim stehen tausende Autos an der Donau. Von hier aus werden sie an Händler in ganz Deutschland transportiert.

08.04.2015 | Stand 16.09.2023, 7:08 Uhr
Martin Anton
Alleine auf dem Verladeplatz der BLG Logistic in Saal a. d. Donau finden 3000 Fahrzeuge Platz. −Foto: pieknikphoto

Überall stehen Autos. Auf dem Parkplatz neben dem Hafenbecken, auf dem Parkplatz zwischen den Lagerhallen, auf dem Parkplatz neben dem Parkhaus, auf dessen Dach und auf der anderen Seite der nahe gelegenen Straße, kann man durch die Bäume Autodächer erkennen. Beim Blick über die Donau sieht man über den zum Teil mit weißer Folie beklebten Autos die Befreiungshalle Kelheim.

Die Autos mit den weißen Dächern von Saal an der Donau im Landkreis Kelheim kennt jeder, der einmal auf der B16 von Regensburg nach Abensberg gefahren ist. Betreiber dieser Stellplätze ist die BLG Logistics Group mit Sitz in Bremen.

Seit 20 Jahren nutzt das Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 1,18 Milliarden Euro (2013) den Donauhafen in Saal als Umschlagplatz für Fahrzeuge vor allem aus Süddeutschland und Osteuropa. Die Autos kommen von den Herstellern und werden weiter an Händler in ganz Deutschland geliefert. Geschäftsführer Görgen Brockbalz erklärt, warum die Wahl auf Saal fiel: „Das Unternehmen wollte unbedingt einen Ort am Wasser mit Schienenanschluss, nicht zu weit von der Autobahn entfernt.“

Auf 507 000 Quadratmeter großem Gelände können laut BLG 26 000 Autos abgestellt werden. Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 193 000 am Standort umgeschlagen. Doch handelt es sich nicht nur um einen großen Parkplatz, auf dem Autos zwischengeparkt werden.

Es ist warm und riecht nach frischem Gebäck, irgendwas mit Himbeeren. In der Werkstatt werkeln zwei Männer in Arbeitsoveralls an einem Auto, dass auf einer Hebebühne über ihren Köpfen schwebt. Ein weiterer Mann ist tief über den Motor eines Wagens gebeugt. Bevor BLG die Autos an die jeweiligen Händler vereilt, werden viele von ihnen noch bearbeitet, allgemein für den deutschen Markt oder für spezielle Kundenwünsche.

Brockbalz beschreibt es so: „Wir sind die verlängerte Werkbank für Hersteller.“ So werden beispielsweise Anhängerkupplungen angebracht sowie Spoiler oder Felgen, die Armaturen individualisiert oder auch das Sprühmittel für die Scheibenwaschanlage eingefüllt. Daher auch der für eine Auto-Werkstatt eher ungewöhnlichen Geruch, erklärt Brockbalz: „Einige Hersteller geben genau vor, welche Sprühmittel in die Behälter für die Scheiben sollen.“

196 Mitarbeiter arbeiten am BLG-Standort Kelheim. In Spitzenzeiten im Herbst oder Frühling kommen noch Leiharbeiter hinzu. Gerade sind es etwa 50 zusätzliche Kräfte. Etwa ein Drittel des Personals sind Fahrer. Doch stehen auch beispielsweise Lackierer auf der Gehaltsliste. Sie lassen Gebrauchtwagen wieder wie neu aussehen, bessern mögliche Fehler oder Transportschäden aus – und bekommen wie die anderen Beschäftigten häufig neue Modelle zu sehen, bevor sie auf den Markt kommen.

Eine glänzende rote Motorhaube schiebt die dunklen Lamellen beiseite und wird gleich darauf von einer Frau in Arbeitsoverall geöffnet. Sie nestelt im Motorraum des kleinen Geländewagens herum, während eine Kollegin sich am Kofferraum zuschaffen macht und ein Mann um das Auto geht, das in Schritttempo über ein Fließband läuft.

Es ist der neue Suzuki Vitara, der da gerade aus einer der drei Waschanlagen kommt. Die Beschäftigten prüfen die Batterie, polieren an der ein oder anderen Stelle mit einem Tuch nach und schauen, ob die neueste Version des japanischen Geländewagens bereit zum Verladen und damit zum Verkauf ist.

Japaner per Schiff aus Ungarn

Suzuki ist einer der wichtigsten und ältesten Kunden des Kelheimer BLG-Standorts, erklärt Brockbalz. Der Hersteller wickelt 75 Prozent seiner Neuwagen für den deutschen Markt über das Terminal in Niederbayern ab, die meisten kommen per Schiff über die Donau aus dem Werk im ungarischen Esztergom.

Für die Japaner hat BLG in Saal eigens eine Anlage für das Auftragen des Unterbodenschutzes gebaut. 140 Autos werden hier täglich mit einer Wachslösung besprüht, um sie vor allem für die Straßenbedingungen im mitteleuropäischem Winter unempfindlich zu machen.

Natürlich ist Suzuki nicht der einzige große Kunde. Auf dem Gelände sieht man fast alle bekannten Automarken. Ein ganzes Parkhaus, oder Parkregal, wie es aus Brandschutz- und anderen Gründen offiziell heißen muss, ist voll mit hunderten BMW-Modellen.

Parkregale gegen Wachstumsgrenzen

Die zwei Parkregale auf dem Gelände hat BLG vor einigen Jahren gebaut. Zum einen verlangten einige Hersteller nach überdachten Stellplätzen. Zum anderen stieß der Standort mit seinem Wachstum an Grenzen. Die Stellplätze sollten nicht mehr als einen Kilometer von Hafen, Waschstraße und Werkstätten entfernt sein. Und auch wenn Brockbalz die Beziehung mit den Menschen und der Politik in der Region lobt: Die Parkregale halfen wohl auch gegen den Einwand, bald wären nur noch Autos in der Landschaft zu sehen.