Kinofilm
Die Kostüme für die Zeitreisenden

Dass der Film Saphirblau so eindrucksvoll aussieht, ist dem Regensburger Alexander Beck mitzuverdanken. Er hat die Kleider von Gwen und Co. entworfen.

22.08.2014 | Stand 16.09.2023, 7:15 Uhr
Kostümbildner Alexander Beck steht vor einem Filmplakat von Saphirblau. −Foto: Straßer

Alexander Beck kommt nach den Tontechnikern, aber vor den Stuntleuten. Weiß auf Schwarz ist der Name des gebürtigen Regensburgers im Abspann des unter Teenagern derzeit wohl am meisten diskutierten deutschen Kinofilms zu lesen. In Saphirblau treffen die Zuschauer Gwendolyn „Gwen“ Shepherd (Maria Ehrich) wieder, die im ersten Teil der Edelstein-Trilogie entdeckt hatte, dass sei ein Zeitreise-Gen in sich trägt. Aus der Jetztzeit in London geht es für die 16-Jährige diesmal unter anderem auf einen Rokoko-Ball, eine Reitpartie um die Jahrhundertwende und zum Nachmittagstee in die 1950er Jahre. Saphirblau ist ein Film, in dem und für den die Kostüme eine wichtige Rolle spielen. Der 41-jährige Alexander Beck hat dem Fantasyabenteuer seinen besonderen Look verpasst, denn er ist der Kostümbildner des Films.

400 Kostüme in drei Monaten

„Bunter, peppiger, moderner“ – So beschreibt Beck die Vorgaben von Regisseur Felix Fuchssteiner sowie Drehbuchautorin und Co-Regisseurin Katharina Schöde. Im Münchner Cinemaxx sieht er den fertigen Film an diesem trüben Nachmittag – also bei bestem Kinowetter – zum zweiten Mal. Bei der Premiere sei er angespannt gewesen, bekennt Beck. Den geschnittenen Film habe er da zum ersten Mal gesehen und angespannt verfolgt, ob die Kostüme so rüberkommen, wie er sich das vorgestellt habe. Jetzt beim zweiten Mal sei er schon lockerer. Vollends entspannt könne er den Film aber erst beim dritten Mal anschauen.

In drei Monaten stemmte Beck ein Mammutprojekt. Er schuf aufwendige historische Gewänder und zeitgemäße Outfits für rund 50 Schauspieler und etwa 300 Komparsen. Sein Budget belief sich auf 100 000 Euro. Dass er in dem Beruf ein Quereinsteiger ist, kommt ihm zugute, findet Kostümbildner Beck.

Nach seiner Herrenschneiderlehre arbeitete er sieben Jahre lang an der Staatsoper in München. Dort lernte er verschiedene Abteilungen kennen. Er verfeinerte sein Können in der Herrenschneiderei. Er tauchte in die Welt der Kunstgewerbler ein, die Färbetechniken beherrschen und kleine Schmuckstücke herstellen. Als Garderobier betreute er zwei Jahre lang die Herrensolisten. Dabei waren Becks psychologische Fähigkeiten gefragt, denn er bekam die Freude, aber auch die Wut ab von Opernstars wie Plácido Domingo oder Luciano Pavarotti. Auch ein Schuh sei da einmal nach ihm geflogen, verrät Beck. Zum Film kam er über ein Praktikum, das ihm eine befreundete Kostümbildnerin anbot. Berufsneulingen rät er, in Low-Budget-Produktionen mitzumachen. „Die Fehler, die man dort macht, werden einem verziehen“, erklärt er. All diese Erfahrungen haben den 41-Jährigen gelehrt, viele Dinge mitzudenken: Ein Kostüm muss möglichst einfach sein. Und wenn es in doppelter Ausführung am Set ist, kann das den Tag für die Garderobiers deutlich angenehmer machen.

Wer meint, Kostümbildner würden nur entwerfen, der liegt falsch. Organisatorisches Geschick ist gefragt. Alles beginnt mit dem Lesen des Drehbuchs. Dann ist profanes Zählen gefragt. Beck muss angeben, wie viele Kostüme er für eine Figur braucht, wie viele Meter Stoff, Schuhe, Schmuck. Raschelt oder knistert ein Stoff, scheidet er aus. „Ich kann keine Lederjacke nehmen, die quietscht“, sagt Beck. „Das würde den Tonmann verrückt machen.“ Bei jeder Figur denkt er darüber nach, welche Persönlichkeit auch jenseits des Films dahinter steckt. Welche Musik hört die Figur? Welchen Sport macht sie? Und auch jedes Kleidungsstück, jeder Schmuck, die Schuhe, die Armbanduhr – alles, was ein Mensch trägt, hat eine Geschichte, kommt irgendwoher, wurde irgendwo gekauft, vielleicht verändert, und aus bestimmten Gründen angezogen.

Rokoko-Kleid sorgt für Aufsehen

Was Gwen in Saphirblau trägt, wird vor allem von den weiblichen Fans genau beobachtet. DieYouTuberin Peachgaloregibt diese Woche beispielsweise Tipps, wie sich der Look mit seitlich geflochtenem Pferdeschwanz, bedrucktem T-Shirt, Holzfällerhemd, robusten Accessoires, roter Jeggins und Schnürstiefeln nachstylen lässt.

Für Aufsehen sorgt das rote Kleid, das Gwen auf einer Rokoko-Party trägt. In der Kostümbibliothek von Parish in München hat sich Alexander Beck für dieses Kleid inspirieren lassen. In der Taille ist es eng geschnürt, wie das für die Zeit üblich war. Historisch genau ist das Kleid aber nur bedingt. Auch weil sich Gwens Gefühlsleben darin widerspiegelt. Die 16-Jährige will ihrem Schwarm und Begleiter Gideon gefallen. Dementsprechend tief ist das Dekolleté. Das Kleid muss darüber hinaus etwas können. Die tanzende Gwen wirft den wallenden Rock mit einer Handbewegung ab. Beck erinnerte sich an einen Trick, den er aus dem Theater kannte. Das Kleid hat zwei Teile. Der eine besteht aus Korsage und schwarzem Tüllrock. Der andere ist ein hinten schließender Rock, in den Schlaufen eingenäht sind. Zusammengehalten wird der Rock am Rücken durch einen „Haken aus dem Baumarkt“. Oben ist ein Ring, so dass die Schauspielerin den Haken herausziehen kann und der Rock herunterfällt.

Der silberne Glitzeranzug, den Gideon in derselben Szene trägt, bringt ebenfalls moderne Elemente in die Vergangenheit. Regisseur und Drehbuchautorin waren so beeindruckt, dass sie einen Satz im Drehbuch änderten. Gwen neckt Gideon, weil er einen „Elton-John-Anzug“ trägt. Ein Lacher für die Zuschauer und ein schönes Kompliment für seine Arbeit findet Alexander Beck.